Interview mit Immobilienökonom: „Wer jetzt den Sprung ins Eigentum schafft, der hat einen Vorteil“

Trotz hoher Zinsen und steigender Mieten sind die Aussichten auf dem Immobilienmarkt gut, findet Ökonom Michael Voigtländer. Käufer können sich sogar die Inflation und das künftige Zinsumfeld bei der Finanzierung zunutze machen.

Herr Voigtländer, ist jetzt eine gute Zeit, sich eine Immobilie zu kaufen?

Michael Voigtländer: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Blickt man zurück, könnte man sagen: Es wäre wesentlich günstiger gewesen, 2021 eine Immobilie zu kaufen, als die Zinsen noch niedriger waren. Aber mit Blick auf die Zukunft muss man sagen: Die Perspektiven für den Immobilienmarkt sind gut, sowohl für Kapitalanleger als auch für Selbstnutzer. Gerade in den Ballungsgebieten müssen wir davon ausgehen, dass es weiterhin eine große Knappheit an Immobilien gibt. Das verspricht weitere Wertsteigerungen oder zumindest Werthaltigkeit. Und insofern würde ich jetzt nicht per se sagen, dass das ein schlechter Zeitpunkt ist.

Bei welchen Objekten und Lagen lohnt sich Kaufen gerade mehr als Mieten?

Für Objekte ist die Energieeffizienz ein wesentliches Kaufkriterium geworden. Jeder Käufer muss sich damit auseinandersetzen und schauen, dass der Energieverbrauch der Wohnung oder des Hauses so gering wie möglich ist und er irgendwann auf erneuerbare Energien setzen kann, zum Beispiel durch eine Wärmepumpe. Was die Lagen angeht – die Ballungszentren werden weiter wachsen. Wir haben eigentlich in allen Metropolen, ob das München, Berlin, Hamburg, Frankfurt oder Köln ist, positive Wachstumsaussichten. Das heißt, die Einwohnerzahl wird wachsen und auch die Umlandgemeinden werden wachsen. Das ist ein wichtiges Kriterium für die zukünftige Nachfrage.

Zur Person

Michael Voigtländer ist Immobilienökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln und Professor für VWL an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

In Großstädten sind die Preise aber ohnehin schon hoch, in der Frankfurter Innenstadt liegt der Quadratmeterpreis bei 8000 Euro.

Naja, je länger man die Immobilie hält, umso eher lohnt sich trotz hoher Preise ein Kauf. Wenn ich aber nur temporär für drei bis vier Jahre in Frankfurt bin, sollte ich es mir genau überlegen. Dann würde ich in der aktuellen Phase eher sagen, dass sich Mieten mehr lohnen kann. Man hat verhältnismäßig hohe Transaktionskosten beim Kaufen. Wenn ich in relativ kurzer Zeit wieder ausziehe, bekomme ich diese Transaktionskosten trotz der Wertsteigerung möglicherweise nicht zurück. Dafür ist das Zinsniveau nicht attraktiv genug.

Das heißt, Kaufen lohnt sich für Normalverdienende in der Stadt weiterhin nur, wenn sie die Immobilie selbst nutzen.

Ja, wenn ich einen Zeithorizont von 15 Jahren habe, dann kann ich schon davon ausgehen, dass die Wertsteigerungen sehr stark ausfallen werden. Ich erwarte für die Zukunft auch wieder fallende Zinsen. Das macht eine Anschlussfinanzierung günstiger. Im Moment sind sie wegen der Inflationsentwicklung so hoch.

Werden die Wohnungspreise bald wieder steigen?

Eher ja. Es gibt zwei wichtige Faktoren für den Immobilienpreis: das eine ist die Entwicklung der Mieten und das andere ist die Entwicklung der Zinsen. Die Mieten steigen derzeit sehr stark. Dieser Faktor trägt im Moment zur Preisstabilität bei, weil auf der anderen Seite ja die Zinsen sehr stark gestiegen sind. Je schneller und je mehr die Mieten steigen, desto eher sind weitere Preissteigerungen zu erwarten. Bei den Zinsen rechnet der Markt damit, dass sie über kurz oder lang fallen werden. Weil die Inflation so hartnäckig ist, wird sich das noch etwas hinziehen. Aber ich denke, in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts werden wir wieder ein deutlich niedrigeres Zinsniveau erleben. Und das hat natürlich einen positiven Effekt auf die Immobilienpreise.

Wie hat der Immobilienmarkt bisher auf die Zinsentscheide der EZB reagiert?

Es wird immer wieder gesagt, die Preise seien so stark gestiegen. Aber wenn man das mal der Zinsentwicklung gegenüberstellt, muss man feststellen: Eigentlich hätten aufgrund der Zinsentwicklung die Preise noch stärker steigen können. Da war der Markt quasi etwas zurückhaltender. Wir hatten sogar noch etwas Luft nach oben bei den Preisen. Als die Zinsen gestiegen sind, haben viele erwartet, dass die Preise fallen müssen. Aber tatsächlich hat das den Nachholeffekt kompensiert. Das heißt, die Preise sind nicht mehr gestiegen, aber sie sind eben auch nicht stark gefallen. Insofern haben wir im Moment einen fast ausgeglichenen Markt. Wir schauen uns immer an: Was kostet es eigentlich zu kaufen und was kostet es zu mieten? Und da sind wir in etwa pari.

Um wie viel müssten die Zinsen sinken, damit sich Menschen Eigentum leisten können?

Wir haben eine Studie zur Erschwinglichkeit gemacht. Sie zeigt, dass innerhalb kurzer Zeit die Belastung für den Kauf einer 130-Quadratmeter-Wohnung für eine Familie von etwa 30 Prozent, die sie von ihrem Einkommen für den Kauf ausgeben muss, auf 40 Prozent gestiegen ist. Ich denke, die Zinsen müssten mindestens um einen Prozentpunkt fallen, damit die Belastung beim Kauf merklich günstiger ist.

Die Mieten steigen ungebrochen. Wann hört das auf?

Da kann ich wenig Mut machen. Wir kommen jetzt erst in die Phase, wo man merkt, dass deutlich zu wenig gebaut wird. Gerade die Großstädte wachsen stark weiter, aber auch kleinere Gemeinden. Auf der anderen Seite fällt die Bautätigkeit gerade deutlich ab. Der Druck auf die Mietwohnungsmärkte steigert sich weiter. Wir sehen in einigen süddeutschen Städten wie Stuttgart und München zwar weniger starke Anstiege, weil die Märkte dort schon ausgereizt sind. Aber gerade in den Umlandgemeinden sehen wir starke Steigerungen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Druck auf den Mietwohnungsmarkt über die nächsten Jahre wirklich entspannt. Dazu bräuchte es mehr Wohnungsbau.

Wer kaufen kann und will – wie lässt sich die Immobilie gerade am klügsten finanzieren?

Wer jetzt den Sprung ins Eigentum schafft, der hat einen Vorteil. Da wir eine hohe Inflation haben, steigen die Einkommen ja tendenziell etwas schneller. Das heißt, die hohen Raten, die ich jetzt zahle, werden quasi entwertet über die Inflation, wenn ich entsprechende Lohnsteigerungen habe. Das ist durchaus ein Vorteil, den man berücksichtigen muss. Und das andere ist: Ich erwarte fallende Zinsen und von daher ist es eine Überlegung wert zu sagen, ich binde mich bei der Finanzierung jetzt nicht direkt für zehn bis 15 Jahre, sondern schließe für einen Teil der Summe einen Kredit ab für nur fünf Jahre. Da können die Zinsen schon wieder deutlich niedriger sein. Aber es ist natürlich mit einem gewissen Risiko verbunden. Ich glaube, die Chancen auf fallende Zinsen sind relativ gut. Wenn man dieses Risiko in Kauf nimmt, kann sich das durchaus lohnen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf capital.de.

tis

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