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Seit Wochen dringt die Ukraine auf einen Besuch des deutschen Kanzlers in Kiew. Jetzt ist er da – zusammen mit zwei weiteren mächtigen Europäern. Die Erwartungen sind nach vier Monaten Krieg groß.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat im teils zerstörten Kiewer Vorort Irpin die «Brutalität» des russischen Angriffskriegs verurteilt. Scholz sprach am Donnerstag von sinnloser Gewalt. Es seien unschuldige Zivilisten getroffen und Häuser zerstört worden.
Es sei eine ganze Stadt zerstört worden, in der es überhaupt keine militärischen Strukturen gegeben habe. «Das sagt sehr viel aus über die Brutalität des russischen Angriffskriegs, der einfach auf Zerstörung und Eroberung aus ist.» Die Zerstörungen in Irpin seien ein «ganz wichtiges Mahnmal» dafür, dass etwas zu tun sei.
Es sei ein furchtbarer Krieg, sagte der Kanzler. «Russland treibt ihn mit größter Brutalität ohne Rücksicht auf Menschenleben voran. Und das ist das, was auch zu Ende gehen muss.» Scholz versicherte der Ukraine die internationale Solidarität.
Scholz versichert weitere Hilfe
Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine die weitere volle Unterstützung in ihrem Kampf gegen Russlands Angriff zugesichert. «Es ist wichtig, wenn jetzt die Regierungschefs der drei großen Länder, die schon bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft dabei waren, nach Kiew fahren und in dieser ganz besonderen Situation des Krieges ihre Unterstützung für die Ukraine und die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine zeigen», sagte der SPD-Politiker bei seiner Reise in einem Sonderzug nach Kiew. Scholz wurde von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi begleitet.
«Wir wollen aber nicht nur Solidarität demonstrieren, sondern auch versichern, dass die Hilfe, die wir organisieren, finanziell, humanitär, aber auch wenn es um Waffen geht, fortgesetzt werden wird», ergänzte Scholz. Man werde die Unterstützung so lange fortsetzen, «wie das nötig ist für den Unabhängigkeitskampf der Ukraine». Gleichzeitig werde man noch einmal klarstellen, dass die verhängten Sanktionen gegen Russland von großer Bedeutung seien. «Denn sie tragen dazu bei, dass die Chance besteht, dass Russland sein Vorhaben aufgibt und seine Truppen wieder zurückzieht. Denn das ist ja das Ziel», unterstrich Scholz.
Luftalaram in Kiew wieder aufgehoben
Der Luftalaram, der kurz nach der Ankunft von Bundeskanzler Olaf Scholz in Kiew ausgelöst wurde, ist nach rund einer halben Stunde wieder aufgehoben worden. Das bestätigte ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort. Die Sirenen waren angegangen, kurz nachdem Scholz gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi mit einem Zug in Kiew eingetroffen war. Auch in zahlreichen weiteren Landesteilen gab es zwischenzeitlich Luftalarm.
Macron: Botschaft europäischer Einigkeit
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat der Ukraine die geschlossene Unterstützung Europas bei der Abwehr des Angriffs Russlands zugesichert. Bei seiner Ankunft auf dem Bahnhof von Kiew sagte Macron am Donnerstag, es gehe um eine «Botschaft der europäischen Einheit, adressiert an die Ukrainerinnen und Ukrainer, sowie der Unterstützung, um zugleich über die Gegenwart und Zukunft zu sprechen, weil wir wissen, dass die nächsten Wochen schwierig werden».
Melnyk nennt Scholz-Besuch in Kiew wichtiges Signal
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat den Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in seinem Land als «wichtiges Signal» bezeichnet. Es sollte «ein neues Kapitel deutscher Unterstützung für die Ukraine aufschlagen», sagte Melnyk am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Es brauche dringend eine neue Weichenstellung.
«Die Ukrainer hoffen, dass der Bundeskanzler nicht mit leeren Händen kommt, sondern ein solides Paket militärischer Hilfen in seinem Reisekoffer mitbringt», sagte Melnyk der dpa. Es gehe darum, dass Deutschland zügig weitere schwere Waffen liefere, vor allem Artilleriegeschütze wie die Panzerhaubitze 2000 sowie Mehrfachraketenwerfer Mars II.
Timoschenko begrüßt Kiew-Reise
Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko hat die Kiew-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz und dessen Kollegen Emmanuel Macron und Mario Draghi begrüßt. In einem Interview des italienischen TV-Senders RaiNews24 zeigte sich die Politikerin am Donnerstag überzeugt, dass der Besuch der drei europäischen Staats- und Regierungschefs zu einer noch stärkeren Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes beitragen werde.
«Ich glaube, dass die drei Spitzenpolitiker aus Italien, Deutschland und Frankreich nach ihrer Reise oder schon währenddessen noch überzeugter werden, an der Seite der Ukraine zu bleiben», sagte sie. Timoschenko war für einige Monate im Jahr 2005 und dann nochmal von Ende 2007 bis Anfang 2010 Regierungschefin in Kiew. Aktuell ist sie Abgeordnete einer Oppositionspartei im ukrainischen Parlament.
Treffen mit Selenskyj geplant
Scholz, Macron und Draghi wollen sie mit Präsident Wolodymyr Selenskyj über weitere Unterstützung für das von Russland angegriffene Land sprechen und über den Wunsch der Ukraine, in die EU aufgenommen zu werden. Scholz hat stets betont, dass er nur nach Kiew reisen werde, wenn es konkrete Dinge zu besprechen gebe. Selenskyj fordert die Lieferung weiterer schwerer Waffen und dass die EU schon in der kommenden Woche auf ihrem Gipfel in Brüssel einer Kandidatur der Ukraine für eine Mitgliedschaft zustimmt.
Seit Mitte März sind zahlreiche Staats- und Regierungschefs in die Ukraine gereist, die sich nun schon fast vier Monaten gegen den Angriff der russischen Streitkräfte zur Wehr setzt. Dieser Besuch ist aber zweifellos der bedeutendste: Scholz, Macron und Draghi repräsentieren die drei bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten EU-Länder. Alle drei Staaten gehören zur G7, in der sich demokratische Wirtschaftsmächte zusammengeschlossen haben. Deutschland hat in dieser Gruppe derzeit den Vorsitz, Frankreich hat die EU-Präsidentschaft.
Selenskyj hatte Scholz bereits vor Wochen nach Kiew eingeladen. Zuerst standen aber Verstimmungen wegen der kurzfristigen Absage einer Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von ukrainischer Seite im Weg. Nachdem die Irritationen ausgeräumt waren, verwies Scholz darauf, dass es ihm bei einer solchen Reise nicht um Symbole, sondern um Inhalte gehe: «Ich werde nicht mich einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge.»
Vor ihm waren schon eine ganze Reihe seiner Minister in der Ukraine: Annalena Baerbock (Außen, Grüne), Svenja Schulze (Entwicklung, SPD) und zuletzt Karl Lauterbach (Gesundheit, SPD) sowie Cem Özdemir (Agrar, Grüne). Auch Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) besuchten Kiew.
Rumäniens Präsident Iohannis in Kiew angekommen
Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis ist am Donnerstag in Kiew eingetroffen. Dies teilte Iohannis per Twitter mit. Zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Mario Draghi wolle er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj treffen. Angesichts des russischen Angriffs wolle er Selenskyj und dem ukrainischen Volk seine Solidarität bekunden. «Diese illegale russische Aggression muss enden», twitterte Iohannis.
Reise war seit einiger Zeit geplant
Die Reise der drei Staats- und Regierungschef war seit einiger Zeit geplant. Bis zuletzt wurde sie trotz einiger Medienberichte aus Sicherheitsgründen nicht bestätigt. Scholz flog bereits am Mittwochabend nach Südpolen. Von der Grenzstadt Przemysl fuhr der Sonderzug mit neun Waggons kurz vor Mitternacht Richtung Kiew los. Der Luftraum ist wegen des Kriegs gesperrt. Es bleibt selbst für Präsidenten und Regierungschefs nur der Landweg. Über Przemysl sind viele Kriegsflüchtlinge in die EU eingereist – und kehren seit geraumer Zeit auf diesem Weg auch wieder zurück.
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