Corona-Pandemie: Menschen mit Long Covid in den Alltag zurückhelfen

Corona-Pandemie Menschen mit Long Covid in den Alltag zurückhelfen

Long-Covid-Patient

Ein Patient sitzt zur Überprüfung seiner Lungenfunktion in einem Bodyplethysmographen. Nach einer Covid-19-Erkrankung müssen viele Menschen mühsam wieder ins Leben finden. Foto: Sina Schuldt/dpa

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Nach einer Covid-19-Erkrankung müssen viele Menschen mühsam wieder ins Leben finden. Eine Rehabilitation kann helfen. Die Deutsche Rentenversicherung rechnet bereits mit mehr Anträgen.

Der Triathlet, der nach einigen Metern außer Atem gerät, die junge Marathon-Läuferin, die nur noch wenige Kilometer schafft – auch zahlreiche Menschen ohne Vorerkrankungen müssen sich nach einer Covid-19-Erkrankung ihren Alltag zurückerobern. Eine Rehabilitation kann dabei helfen.

«Wir verzeichnen bereits Reha-Anträge auf Grund von Long Covid», sagt Hans-Georg Arnold, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland-Pfalz. Diese hätten allerdings noch keine relevante Größenordnung erreicht. Für Erwerbstätige werden Rehabilitationen grundsätzlich von der DRV als nach eigenen Angaben größter Reha-Träger finanziert. Für die kommenden Monate rechnet Arnold jedoch mit einem Anstieg der Antragszahlen aus der zweiten und dritten Welle der Corona-Pandemie.

Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz haben im zweiten Quartal dieses Jahres bei 5434 gesetzlich Versicherten einen sogenannten Post-Covid-19-Zustand nach einer überstandenen Infektion diagnostiziert. Im ersten Quartal waren es 4269 Patientinnen und Patienten, wie die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz mitteilte. Wie viele Menschen derzeit in Rheinland-Pfalz unter Long Covid leiden, ist unklar. Die Datenlage ist schwierig.

Eine offizielle Definition der Post-Covid-Erkrankung gibt es bislang nicht, häufig werden die Begriffe Post- und Long Covid synonym verwendet. Bis zu 15 Prozent aller Covid-19-Erkrankten sind laut einer Mitte Juli veröffentlichten Diagnose-Leitlinie vom Post-Covid-Syndrom betroffen. Das heißt, sie haben mehr als drei Monate anhaltende Beschwerden unterschiedlichster Art, etwa Kurzatmigkeit, Schwindel oder Konzentrationsstörungen. Von Long Covid spricht man demnach, wenn nach einer überstandenen Infektion neue Symptome hinzukommen oder diese länger als vier Wochen bestehen. Es gibt Studien, die auf einen noch höheren Anteil von Patienten mit Langzeitfolgen hinweisen.

Den Experten zufolge tritt das Post-Covid-Syndron häufiger unter stationär Behandelten auf. Zunächst dominierten körperliche Gebrechen wie Luftnot und Herzbeschwerden, sagt Dr. Matthias Rudolph, Ärztlicher Direktor der Mittelrhein-Klinik in Bad Salzig. Die Betroffenen kämen dann häufig in eine Lungenfachklinik. In Rheinland-Pfalz ist die Hufeland-Klinik in Bad Ems darauf spezialisiert.

Bei Long Covid sind die Symptome sehr breit gefächert und reichen Rudolph zufolge von einem Abbau der Muskulatur und chronischer Müdigkeit bis hin zu Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen oder psychischen Beschwerden wie Depressionen und Angststörungen. Rudolph hat zur psychosomatischen Rehabilitation für die Mittelrhein-Klinik ein spezielles Programm entwickelt. Daneben bieten zwei andere Reha-Kliniken der Deutschen Rentenversicherung in Bad Kreuznach und in Bruchweiler bei Idar-Oberstein Long Covid-Behandlungen an. Dazu kommen nach Angaben der Sektion der Heilbäder und Kurorte des rheinland-pfälzischen Tourismus- und Heilbäderverbands unter anderem Angebote in Bernkastel-Kues, Bad Ems, Bad Dürkheim, Manderscheid und Bad Bergzabern.

«Die Rehabilitation ist sehr individuell», weiß Rudolph. Nicht jeder bekäme etwa Atemtherapie oder Atemmuskeltraining, erklärt der Facharzt für Psychosomatische Medizin, der seit Februar dieses Jahres rund 40 Long Covid-Patientinnen und Patienten in seiner Klinik behandelt hat. Viele der 30- bis 50-Jährigen profitierten von Ausdauer- und Krafttraining, Entspannungs- oder Aufmerksamkeitstraining sowie psychologischer Therapie.

Eine Behandlungsempfehlung gebe es derzeit nicht, sagt Dr. Wolfgang Neumeister, Chefarzt der Hufeland-Klinik. Die Behandlung richte sich nach dem führenden Symptom. Wichtig sei, die Menschen nicht zu sehr zu belasten, sonst seien sie völlig erschöpft und könnten gar nicht mehr an der Reha teilnehmen. Die Patienten bei ihm in der Früh-Reha müssten zum Teil erst wieder erlernen, ein Messer zu halten oder wie man eine Schere bedient. Wie Neumeister angibt, seien es in der Hufeland-Klinik seit Beginn der Pandemie weit über 1000 Patienten gewesen. Das Haus war auch während des ersten Lockdowns nicht geschlossen.

«Wir haben hier fitte Menschen ohne Vorerkrankungen, teilweise auch Sportler», berichtet Rudolph. Noch sei überhaupt nicht klar, warum gerade diese Gruppe relativ junger Menschen so stark von Post- und Long Covid betroffen sei und wie lange die Patientinnen und Patienten noch mit Beschwerden rechnen müssten.

Einige hätten einen sehr milden Erkrankungsverlauf gehabt und höchstens über etwas Fieber und Geschmacksverlust geklagt, erläutert Neumeister. Sechs bis acht Wochen nach der Covid-19-Erkrankung hätten sie jedoch massive Probleme. Bei einer körperlichen Belastung sinke bei diesen Personen beispielsweise der Sauerstoffgehalt im Blut signifikant ab, anstatt anzusteigen.

Beantragt wird eine Reha durch die Versicherten selbst, der behandelnde Arzt stellt einen entsprechenden Befundbericht aus. «Die Antragstellenden haben ein Wunsch- und Wahlrecht, an welchem Ort sie ihre Reha antreten», betont Rudolph.

Wer nach der Rehabilitation wieder nach Hause kommt, kann 6 bis 12 Monate lang das Nachsorgeangebot der Deutschen Rentenversicherung nutzen. Das reicht nach Rudolphs Angaben von orthopädischen bis zu psychotherapeutischen Behandlungen oder Ernährungsberatung. «Es ist wichtig, ambulant fortzuführen, was stationär gelernt wurde», findet Neumeister.

dpa

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