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Der Mord an einer Schülerin in Illerkirchberg bei Ulm sorgt bundesweit für Entsetzen. Auch am Tag nach der Tat sind noch viele Fragen offen. Was bislang bekannt ist.
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Ein Meer aus Kerzen und Blumen erinnert am Tag danach an das, was sich am Montag in Illerkirchberg bei Ulm abgespielt hat. Die Gemeinde mit ihren 5000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Schauplatz eines Verbrechens geworden, das – davon ist auszugehen – das ganze Land noch lange beschäftigen wird. Eine 14-jährige Schülerin ist tot, mutmaßlich auf offener Straße erstochen von einem 27-jährigen Mann. Die Polizei hat ihn kurz nach der Tat festgenommen, im Haus direkt gegenüber der Kerzen und Blumen in einer Seitenstraße des südlichen Ortsteils Oberkirchberg, in der örtlichen Flüchtlingsunterkunft.
Es herrschen Fassungslosigkeit, Wut und Trauer – nicht nur in Illerkirchberg, sondern weit darüber hinaus. Und es gibt viele Fragen. Fragen, die Staatsanwaltschaft und Polizei in den nächsten Tagen und Wochen beantworten müssen. Denn trotz der schnellen Festnahme ist auch am Tag nach der Bluttat noch vieles unklar. Das ist am Dienstagmittag über den Fall bekannt:
Was ist am Montag in Illerkirchberg geschehen?
Am Montagabend gaben die Staatsanwaltschaft und die Polizei ihre ersten Ermittlungsergebnisse bekannt. Demnach wurden die Einsatzkräfte gegen 7.30 Uhr von Zeugen alarmiert, weil das spätere Todesopfer und eine 13-jährige Schulkameradin von einem Mann mit einem Messer attackiert und verletzt worden seien. Beide Mädchen kamen in ein Krankenhaus.
Ein Augenzeuge schilderte dem Südwestrundfunk (SWR), dass er Geräusche gehört habe. Er habe nachgeschaut und „da lag das Mädchen blutend am Boden mit einer riesigen Stichwunde im Bauch. Ein zweites hatte Verletzungen unterhalb der Brust, eine Stichwunde. Sie war völlig aufgelöst.“
Der Angreifer soll vor dem Angriff aus einer Flüchtlingsunterkunft in unmittelbarer Nähe des Tatorts gekommen und nach der Tat dorthin zurück geflüchtet sein. Die Unterkunft sei daraufhin von Beamtinnen und Beamten umstellt worden. „Als die Polizei diese mit Spezialkräften durchsuchte, traf sie dort auf drei Bewohner, alle Asylbewerber aus Eritrea„, hieß es in einer Mitteilung. „Zwei nahm sie mit zur Dienststelle. Der Dritte war verletzt und musste in ärztliche Behandlung.“ Bei dem Verletzten handele es sich um den Mann, der die Tat verübt haben soll.
Was ist über die Opfer bekannt?
Bei beiden Mädchen handelt es sich um Schülerinnen, die gemeinsam auf dem Weg zur Schule waren. „Die 14-Jährige musste nach dem Angriff noch am Tatort wiederbelebt werden, bevor sie in die Klinik gebracht wurde, wo sie trotz aller ärztlichen Bemühungen verstarb“, so Polizei und Staatsanwaltschaft. Bei ihr handelt es sich nach Angaben aus dem baden-württembergischen Innenministerium um eine deutsche Staatsangehörige mit türkischen Wurzeln. Die Obduktion des Leichnams soll nun Klarheit über die genaue Todesursache bringen. Die jüngere der beiden, ebenfalls eine Deutsche, wurde schwer verletzt, schwebte laut Polizei jedoch nicht in Lebensgefahr.
Was ist über den mutmaßlichen Täter bekannt?
Wie die beiden anderen Festgenommenen hat der 27-Jährige nach Behördenangaben in der Flüchtlingsunterkunft in Illerkirchberg gelebt. Alle drei Männer sollen aus Eritrea im Nordosten Afrikas stammen. Welchen Aufenthaltsstatus sie haben, ist öffentlich nicht bekannt. Der Verdächtige sei bisher nur einmal wegen Fahrens ohne Fahrkarte, nicht aber wegen Gewaltdelikten aufgefallen, so die Staatsanwaltschaft. In der Flüchtlingsunterkunft sei die mögliche Tatwaffe, ein Messer, sichergestellt worden.
Der 27-Jährige sei nach seiner Festnahme verletzt in ein Krankenhaus gekommen und stundenlang operiert worden. Vermutlich habe er sich mit dem Messer selbst verletzt, sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur DPA.
Der Verdächtige stehe in der Klinik unter der Aufsicht der Polizei. Die beiden anderen Männer haben nach bisherigen Erkenntnissen nichts mit der Tat zu tun, sie befinden sich wieder auf freiem Fuß
Gibt es ein Motiv für die Tat?
Bislang noch nicht. Zwar sei der Verdächtige bereits vernommen worden, Angaben zur Sache habe er jedoch nicht gesagt, sagte ein Sprecher der Ulmer Staatsanwaltschaft am Dienstagmorgen. Ob sich Opfer und mutmaßlicher Täter kannten, war nicht bekannt. Man prüfe die Beantragung eines Haftbefehls, so der Sprecher weiter. Allerdings steht auch die Möglichkeit im Raum, dass der Verdächtige vermindert oder überhaupt nicht schuldfähig ist, beispielsweise wegen einer psychischen Erkrankung. Hierzu sollte ein Gutachten über den Zustand des 27-Jährigen erstellt werden.
Wie sind die Reaktionen auf die Tat?
„Die Polizei betont, dass sie sich bewusst ist, dass Ereignisse dieser Art Ängste und Emotionen schüren. Sie bittet daher darum, keinen Generalverdacht gegen Fremde, Schutzsuchende oder Asylbewerber allgemein zu hegen oder solchem Verdacht Vorschub oder Unterstützung zu leisten“, erklärten die Ermittlerinnen und Ermittler – jedoch vergeblich. AfD-Politikerinnen und -Politiker wie die Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel wiederum thematisierten in Stellungnahmen genau diesen Aspekt.
Bereits kurz nach der Tat häuften sich in den sozialen Netzwerken fremdenfeindliche Kommentare, auch eine stern-Reporterin berichtete am Dienstagmorgen von einer mitunter rassistischen Grundstimmung in Illerkirchberg.
Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker äußerten sich entsetzt über das Geschehen in der Gemeinde. Illerkirchbergs Bürgermeister Markus Häußler (parteilos) sagte laut SWR, seine Gemeinde stehe unter Schock. Man werde den betroffenen Familien zur Seite stehen. „Es ist fruchtbar“, zitierte ihn die „Südwestpresse“.
Am Montagabend meldete sich auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu Wort und drückte ihr Mitgefühl aus. „Ich trauere um das getötete Mädchen und hoffe inständig, dass das verletzte Mädchen gesund wird“, schrieb die SPD-Politikerin bei Twitter. „Meine Gedanken sind in diesen Stunden bei ihren Familien. Die Polizei ermittelt mit Hochdruck alle Hintergründe.“
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte: „Diese Tat rührt uns zutiefst, wenn das Leben eines unschuldigen Kindes so brutal ausgelöscht wird. In Gedanken sind wir in diesen schweren Stunden bei den Eltern, der Familie, den Hinterbliebenen der Getöteten sowie bei den Mitschülerinnen und Mitschülern und Freunden des jungen Mädchens. Ihnen gilt unsere herzliche Anteilnahme (…) Zusammen mit der Staatsanwaltschaft arbeitet sie (die Polizei, Anm. d. Red.) mit Hochdruck daran, die Tat aufzuklären. Und wir werden diese schlimme Tat restlos aufklären.“
Strobl wollte den Tatort am Dienstagmittag gemeinsam mit dem türkischen Botschafter Ahmet Basar Sen und Bürgermeister Häußler den Tatort besuchen und innehalten.
Quellen: Polizeipräsidium und Staatsanwaltschaft Ulm, Alice Weidel bei Twitter, Südwestrundfunk, „Südwestpresse“ (kostenpflichtiger Inhalt), Nancy Faeser bei Twitter, Thomas Strobl, Nachrichtenagenturen DPA und AFP