Donald Trump macht mit Rüpelei Weltpolitik. Was interessiert sie daran?
Trump ist ein Ignorant, der inhaltlich oft keine Ahnung hat. Und dennoch gelingt es ihm genauso oft, sich durchzusetzen und wie der Stärkere zu erscheinen. Dabei setzt er eine ganz bestimmte Art von Sprache ein. Und deshalb kann man handwerklich viel von ihm lernen.
Um es genauso zu machen?
Um sich wehren zu können.
Ich streite mich selten mit dem US-Präsidenten?
Aber wahrscheinlich oft mit ähnlichen Typen. Im Alltag gibt es unendlich viele Trumps. In der Firma, in der Politik üben die mit derselben Sprache, denselben Methoden, Macht aus.
Was für eine Sprache meinen Sie?
Die amerikanische Soziolinguistin Deborah Tannen hat zwei große Sprachsysteme identifiziert: ein sogenanntes vertikales und ein horizontales System. Bei der vertikalen Kommunikation geht’s zuerst darum, Rang- und Revierfragen zu klären. Wer steht wo in der Rangordnung? Wobei Gleichrangigkeit auch ok. ist. Und es gibt ein horizontales System. Da geht’s weniger um Status, eher um Inhalte und um Botschaften der Zugehörigkeit.
Oben und unten, America first, das ist die Welt der Trumps?
Das hört sich archaisch an. Aber ja. Die Sprache in diesem System ist einfach. Subjekt, Prädikat, Objekt, keine Relativsätze. Vieles wird oft wiederholt. „Basic Talk“, nennen das Fachleute. Gesteigert wird das noch mit dem Einsatz des Körpers im Raum, mit Bewegungen, mit Gesten, mit demonstrativen Gebietsansprüchen. Ich nenne das „Move Talk.“
Ist das die Sprache der alten, weißen Männer?
Das ist zu pauschal. In der Tendenz nutzen das eher Männer. Aber es gibt auch Frauen, die das machen.
Wie sieht das konkret aus?
Im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf waren seine Einkommenssteuern eines der empfindlichsten Themen für den Kandidaten Trump. Hillary Clinton, seine Gegnerin, wusste das natürlich. Sie gilt als Aktenfresserin, hatte sich detailliert vorbereitet – und dann musste sie in der TV-Debatte erfahren, dass Argumente nicht viel zählen …
Weil Trump was gemacht hat?
Als sie ihn wortreich angriff, sagte er einfach: „Wrong.“ Ein einziges Wort. Als sie’s wieder und wieder probierte, Argumente vortrug, sagt er einfach immer: „Wrong“. Ohne Komma, ohne Relativsatz, ohne Zusatzinformation. „Wrong.“ Daraufhin gab Clinton das Thema auf. Leider ein Sieg für Trump. In einer anderen Szene geht sie auf einen Zuschauer zu, dabei macht sie aber in ihrem Rücken den Raum für Trump auf. Effekt: hinter ihr hampelt er rum und schneidet Grimassen.
Eine Sauerei.
Sicher, aber Trump beherrschte damit die Szene. Als er Ende der 80er, noch als junger Immobilienmakler, in der TV-Show von Star-Moderator Larry King war, rückte Trump am Anfang des Gesprächs seinen Stuhl demonstrativ von King weg und sagte: „Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus. Aber Sie haben enormen Mundgeruch. Hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?“
Was macht das mit einem Gegner?
Dem fällt erst einmal nichts ein. Selbst King warf das aus der Bahn. Aber genau dieses Verhalten finden sie eben auch im Alltag. Da ist etwa der Vorstand, der die Abteilungsleiterin während ihres kompetenten, detaillierten Vortrags fragt: Haben Sie immer so einen kurzen Rock an? Nur, um sie aus dem Konzept zu bringen. Das ist unsachlicher, übergriffiger Basic Talk, gerne persönlich, wenn nötig sexistisch. Beim Gegner führt er zu Lähmungen.
Das ultimative Ziel ist Demütigung?
Das ist eine Rangprovokation. Sexismus hat ja auch nicht zwingend etwas mit sexuellem Interesse zu tun. Diesen vertikalen Leuten ist eine Rangklärung so wichtig wie Insulin für einen Zuckerkranken. Mit diesen Bedürfnissen muss man arbeiten. Erst danach können die Inhalte kommen.
Opfer sind vor allem Frauen?
Es kann auch Männer treffen. Wenn etwa der Techniker einen toll begründeten, technischen Detailvortrag hält, und dann unterbricht ihn der Vorstand wiederholt, indem er ihm sagt: Damit holen Sie mich nicht ab! So macht der Chef seinen Mitarbeiter mit einer Formel platt.
… und verlässt dabei jede argumentative Ebene.
Ja, weil man darauf ja eigentlich nichts antworten kann. Abholen? Was heißt das denn? Es ist ein beliebter Trick. Viele Intellektuelle sind nur den „High Talk“ gewohnt, das Austauschen von Argumenten. Die werden von den Trumps einfach überrollt. Die Währung, mit der in horizontalen Systemen gehandelt wird, ist Sympathie, in vertikalen Systemen ist die Währung aber Respekt. Den muss man sich gegenüber den Trumps erkämpfen, bevor überhaupt über Sachthemen gesprochen werden kann.
Diese Brachialvariante von Sprache passt aber so gar nicht dazu, dass in Unternehmen gerade so viel von Wertschätzung gesprochen wird.
Es wird davon gesprochen. Richtig. Gelebt wird das sehr unterschiedlich, abhängig von Branche, Unternehmen, ihrem konkreten Job. Wertschätzung wird völlig unterschiedlich empfunden. Je näher sie der Produktionsebene kommen, umso wahrscheinlicher ist es, dass dort vertikal kommuniziert wird. Wer ist hier eigentlich der Meister?
Wenn der Körper so eine wichtige Rolle spielt, wie sollen zierlichere Menschen – Frauen! – überhaupt mithalten können, wenn’s ganz basic wird?
Theoretisch schwierig, praktisch aber nicht. Die Körpergröße ist nicht entscheidend. Wer kleiner ist, muss sich nur mehr räumlichen Abstand zu seinem größeren Gegenüber verschaffen und lauter sprechen. Akustik ersetzt Zentimeter.
Sie geben eine Regieanweisung.
Klar. Sie stehen im Job ja auch auf einer Bühne. Immer.
Weggehen hilft aber nichts, wenn der Firmen-Trump meinen Rock kommentiert?
Im Beruf nützt Flucht in der Regel nichts. Sie sollten sich auf die Sprachebene des Gegners begeben. Da können Bewegungsmuster schon helfen.
Wie, Auge um Auge, Zahn um Zahn?
Es geht nicht um Rache, sondern um Respekt am Arbeitsplatz. Den gibt’s in der Regel nicht gratis.
Worauf sollte ich achten?
Vor allem auf das Tempo. Das ist mit das wichtigste Signal.
Tempo?
Hohe Geschwindigkeit beim Bewegen, beim Sprechen gilt vertikal als Signal für fehlende Bedeutung. Fünf Abteilungsleiter hören, wie draußen auf dem Gang jemand mit schnellen, kleinen Schritten vorbeiläuft Was denken die? Na, da kommt eine Hilfskraft, eine Praktikantin, ein Studi.
Silberrücken bewegen sich langsam.
Genau. Übrigens auch weibliche. Sie geben das Tempo vor. Sie sind die Chefinnen oder Chefs. Diejenigen, die als Hilfskräfte wahrgenommen werden, kommen bei einer Besprechung ins Zimmer geeilt, setzen sich schnell hin, studieren eifrig ihre Unterlagen und warten darauf, Argumente austauschen zu dürfen. Andere nutzen die berufliche Bühne: Zeitlupen-Tempo bis Stillstand, sich anschauen lassen, lauter sprechen als nötig, sorgfältigste Platzwahl.
Und kommentieren dann den Rock. Und dann?
In diesem Fall könnten Sie eine deutliche Pause machen, und sich dann langsam auf den Gegner zu bewegen. Sie lächeln nicht, die Situation ist ja auch nicht lächerlich. Sie schauen aber auch nicht aufgebracht, sondern einfach neutral. Und dann sagen Sie ganz langsam und deutlich, für alle vernehmbar: Sie sind Vorstand unseres Hauses. Damit erkennen Sie seinen Rang an und zwingen ihn zum Zuhören. Pause. Und dann sagen sie: Ich mach‘ jetzt weiter. Ich bin mir sicher: Damit ist erstmal Ruhe. Eins zu null für Sie.
Echt jetzt? Das funktioniert.
In meiner Erfahrung: ja. Fast immer. Wenn nötig, wiederholen Sie genau dasselbe nochmal. Nur keine Hemmungen.
Dafür muss ich aber wahnsinnig schlagfertig sein, oder?
Schlagfertigkeit wird überschätzt. Sie müssen reagieren, das ja. Aber nicht zwingend verbal. Und schon gar nicht nach bereits einer Sekunde.
Es gibt Leute, die sich auf solche Spielchen nicht einlassen wollen, die sagen: Da bin ich nicht authentisch.
Da bin ich ein bisschen allergisch geworden. Was meinen Sie denn mit authentisch?
Dass das Brachialgehabe nicht zu meiner Persönlichkeit passt, nicht echt ist. In der Politik rufen doch alle gerade nach authentischen, echten Politikern à la Robert Habeck.
Ich stehe diesem Adjektiv ziemlich skeptisch gegenüber.
Wie das?
Authentisch sein – was heißt das denn? Das steht für alles und nichts. Brüllt der Chef rum? Lässt er sich Ihnen gegenüber gehen? Er persönlich versteht sowas ja womöglich als authentisch. Mit dem Begriff kann man jedes Verhalten rechtfertigen. Und das finde ich gefährlich. Denn dieser Anspruch auf dauernde Authentizität löst gleichzeitig unser Rollenbewusstsein auf. Rollen sind zumeist klar definiert, vor allem in der Arbeitswelt oder in der Politik. Als Mitarbeiter habe ich eine bestimmte Rolle, als Chefin auch. Der Philosoph Robert Pfaller sagt: „Es ist diese Be-Yourself-Ideologie, die uns das Leben absolut versaut“. Und da hat er Recht, weil uns das vermeintlich Authentische sogar Lebensmöglichkeiten wegnehmen und Freiheiten beschneiden kann. Eine genaue Arbeitsplatzbeschreibung etwa ist ein Schutz für einen Arbeitnehmer. Sie hält fest, was sie oder er tun muss und was nicht. Ich werde nicht für meine gesamte Persönlichkeit bezahlt.
Aber wir befinden uns in einer Zeit des irren Wandels. Da funktioniert es oft einfach nicht mehr, sich an erstarrten Rollen festzuhalten.
Es muss ja auch nicht lebenslang dieselbe Rolle sein. Natürlich wünsche ich mir Führungskräfte, Manager, Politiker, die ihre Rollen reflektieren, hinterfragen und anpassen. Aber ich wünsche mir auch, dass sie ihre Rollen erst einmal möglichst gut ausfüllen. Ob die dann auch noch irgendwie echt sind, ist zweitrangig. Sollen sie doch erstmal ihren Job machen! Trump würde von sich auch behaupten, dass er authentisch ist. Goebbels hätte einen Begriff wie „authentisch“ attraktiv gefunden für seine Propaganda. Wenn das Wort schon in Mode gewesen wäre.
Sie brauchen also keine authentischen Führer?
Nein, da ist mir die gute alte Rollen-Idee des Grundgesetzes von 1949 lieb und teuer. Es gibt auch in der Politik Rollen, dafür wirst du gewählt, das machst du eine Weile möglichst gut. Aber irgendwann wirst du wahrscheinlich wieder abgewählt. Dann gibst du die Rolle wieder ab.
In Europa nutzen gerade die Populisten das, was Sie als „Basic Talk“ bezeichnen, die AfD in Deutschland, die FPÖ in Österreich, die Blocher Partei SVP in der Schweiz. Verändert das den demokratischen Diskurs?
Klar. Aber ein Stück weit sind die Demokraten auch selbst schuld. Ihre Schwäche, mit der Sprache der Populisten umzugehen, stärkt die Demokratiefeinde. Dass sie sich deren Sprachmuster nicht anschauen, halte ich für eine gefährliche Arroganz.
Aber wie will man diesen Mini-Trumps beikommen? Im EU-Parlament haben die Brexiteers sich neulich einfach umgedreht, als die Europa-Hymne gespielt wurde. Wie geht man mit so etwas um?
Ich hab’s nicht gesehen. Aber man muss inzwischen einfach rechnen mit solchen Aktionen. Ich habe ziemlich genau verfolgt, wie verschiedene Landtagspräsidentinnen in Parlamentsdebatten mit ausfälligen AfD-Politikern umgegangen sind. Da, wo es ganz gut lief, haben sie die Geschäftsordnung des Parlaments kühl und hart eingesetzt. Wenn man Übergriffe höflich ignoriert, feiern diese Leute ihre Feste.
Sie haben Regeln entwickelt, die vorgeben, wie man mit Ignoranten spricht. Eine dieser Regeln lautet, dass man sich prüfen muss, ob man fließend und interessiert mit Leuten außerhalb des eigenen Milieus sprechen kann. Was heißt das genau?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich lebe in einem Dorf und singe im Dorfchor. Was meinen Sie, was für unterschiedliche Leute in so einem Chor dabei sind? Das funktioniert nur, weil alle permanent kommunizieren und ohne Berührungsängste versuchen, eine gemeinsame Sprache zu finden, völlig egal, wer welchen Bildungshorizont hat.
Aber verändert eine andere Sprache wirklich etwas? Als Coach beraten Sie auch viele Frauen. Hat etwa die Debatte über #Metoo im Alltag tatsächlich etwas verändert?
Weniger als wir uns wünschen würden. Aber die Debatte ist auch erst zwei Jahre alt. Wir reden hier von der Auseinandersetzung mit einem ganzen patriarchalen System. Da sind zwei Jahre nichts, auch nicht zehn. Wir befinden uns auf einem Flug über den Atlantik. Wir sind gestartet in Frankfurt. Wir sind jetzt mitten über Ozean. Und dann gibt’s ein paar Leute, die fangen an, sich anzuziehen und stellen sich vorne an der Tür auf, weil sie allen Ernstes denken, wir wären da. Sind wir aber noch lange nicht! Sehen Sie sich doch einmal an, wie sich die Zahl der Führungspositionen für Frauen in den letzten Jahren in den großen Konzernen entwickelt hat. Das ist lächerlich. Nein, wir sind mitten über dem Atlantik und müssen noch eine ganze Weile fliegen.
Posts aus derselben Kategorie:
- Geschlechtergerechte Sprache: Zehn Punkte für den „*in“-Stein: Scrabble führt das Gendern ein
- Trump: Migranten sollen bei Kritik an Lagern den USA fernbleiben
- Komplizierte Welt: Wenn alles zu viel wird – so macht man ein Sabbatical
- Video: Was wird Merkel tun?
- SPD-Frauen drängen bei Lambrecht-Nachfolge auf Parität in der Regierung