M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier: Völkerball – hört die Signale!

Kinder machen Freude. Aber besser holt man sich einen Kaktus. So einen handelsüblichen Nachwuchs unbeschädigt durch die Kindheit zu kriegen, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Unfähige Lehrer, die die Hochbegabung vom kleinen Nachwuchs-Hawking partout nicht erkennen wollen, das schwere Mathe-Abi und Musikunterricht, in dem traumatisierende Massakrierungsfantasien wie „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ die gewaltfreie Erziehung der Eltern torpedieren.

Und hast du dein Kind mit dem Q8 gerade sicher vor der Schulpforte abgesetzt, wird es vom Erdkundelehrer auf seinem E-Scooter umgeplästert. Es ist ein Elend.

Um eine möglichst störungsfreie Reifung des Kindes gewährleisten zu können, haben Wissenschaftler einen entscheidenden Schritt in Richtung emotionaler Vollverhelmung gemacht. Man ist zu dem Schluss gelangt, dass das im Sportunterricht gern exerzierte Völkerball „legalisiertes Mobbing“ sei, in dem es vorrangig darum gehe, dass „die Stärkeren sich gezielt über die Schwächeren erheben“ würden.

Da knüpft sich natürlich die Frage an: Ja, worum denn sonst! Dafür ist Sport doch da! Andererseits: Was geschieht denn da überhaupt?

In rund zehn Minuten wird eine Handvoll Schüler von anderen systematisch gemobbt. Völlig ineffizient! In derselben Zeit schaffen Schüler via WhatsApp oft die zehnfache Menge! Und das ohne sich bewegen zu müssen. Oder einem Mitschüler in das verängstigte Gesicht blicken zu müssen. Völkerball! Das ist der G20-Gipfel der Maikäfergruppe!

Gut, fairerweise muss man sagen, dass einem Spiel, das im Kern als „rituelles Kriegsspiel die Schlacht zwischen zwei Völkern symbolisiert, die sich unter ihren Königen in einem Vernichtungskrieg gegenüberstehen“ und vermutlich von völkischen Klemmtunten eingeführt wurde, die eigentlich lieber Ehebrecher, Schwule oder wenigstens Sozis mit Steinen bewerfen würden, die pazifistische Note ein wenig abgeht.

Dennoch bleibt natürlich die Frage, ob die Verbannung aus dem Sportunterricht der richtige Schritt ist. Es sei denn natürlich, man hätte zuletzt mit Kokosnüssen gespielt.

Völkerball – ein Sport, so hässlich wie die Gesellschaft selbst

Ist es ratsam, einer rundum geairbagten Generation systematisch die Chance auf Enttäuschung und Erniedrigung zu entziehen, bis der fragile Nachwuchs zu Beginn der beruflichen Karriere beim ersten Donnerwetter vom Chef zitternd in Embryonalstellung kauernd vom THW aus der Herrentoilette befreit werden muss?

Nein, nein. Völkerball, das ist Softball-Darwinismus. Ein Sport, so herrlich hässlich wie die Gesellschaft selbst. Wo die Starken die Schwachen jagen, sie erniedrigen, ein perpetuum mobile der Demütigung. Da wird die sechste Stunde zum Judgement Day.

Hier kann der sportlich Begabte dem Amhtor-Double subventioniert was vor die dicke Brille semmeln, weil der gekichert hat, als er morgens in der Doppelstunde Mathe an der Tafel stand und vor aller Augen vor sich hin pietrolombardiert hat.

Ist nicht die ganze Schulzeit ein einziger Völkerball? Irgendwer wird immer diskriminiert. Der Dicke, der im Schwimmunterricht in Badehose am Beckenrand stehen und sich mustern lassen muss. Die mit der Leseschwäche, die ein Referat halten muss. Der Kugelstoßer, der in Chemie wie ein Depp vor dem Erlenmeyerkolben steht. Das Mädchen in den C&A-Klamotten, das schon zwei Straßen vorher aus Mamas Opel Corsa steigt. Der Lehrer, der dieses nervöse Zucken partout nicht in den Griff kriegt und seinen Spitznamen bereits im Internet lesen musste.

Man könnte natürlich auch zu Hause anfangen und seinen Kindern beibringen, mitfühlend zu sein, sich für Schwächere einsetzen und nicht auf ihnen rumzuhacken. Oder natürlich Völkerball verbieten. Das geht auch. Verbieten ist immer gut.

Ich hoffe ohnehin immer noch, dass mein Vorschlag durchgeht, um in der Gesellschaft mal wirklich für Puls zu sorgen: „Umvölkerball“. Jedes Kind, das abgeworfen wurde, konvertiert umgehend zum Islam. Aber mich fragt ja wieder keiner.

Übrigens können dickliche Kinder auch trotz großer Erniedrigungserfahrungen im Völkerball später durchaus noch ein gewisses Selbstbewusstsein erlangen. Zumindest reicht es noch zum Schreiben dieser Kolumne.

Immerhin.

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