Militärgeschichte: Blut, Schuld und dumme Witze – was Soldaten vom Krieg erzählen

Der Historiker Max Hastings hat eine Sammlung der eindrucksvollsten Soldaten-Geschichten zusammengestellt. Sein Band „Soldiers Great Stories Of War And Peace“ zeigt, wie Männer und auch Frauen den Schrecken des Kampfes erleben.

Max Hastings kann man als Besteller-Historiker bezeichnen. In rascher Folge versorgt er die Briten mit neuen Bänden zu ihrer Militärgeschichte. Sein neuestes Werk unterscheidet sich, denn es ist nicht wirklich von ihm selbst geschrieben. Es ist eine Sammlung von Soldaten-Geschichten. In „Soldiers: Great Stories Of War And Peace“ hat er ihre Erzählungen zusammengetragen. Es ist ein beeindruckendes Werk, das die ganze Fülle des Soldatentums beschreibt. Hastings hat Jahrzehnte mit Arbeiten über den Krieg verbracht. Der Band fasst die Augenzeugenberichte zusammen, die ihn nicht mehr verlassen haben. Auf den ersten Blick ist es ein Sammelsurium – aber genau das ist gewollt. Die Bandbreite reicht vom Grauen eines Massakers bis zu einer Bande von Kaninchen, die den großen Napoleon von einem Feld verjagten.

„Mein Ziel ist es, Töne zu erklingen zu lassen, die etwas über den Zustand des Kriegers aussagen“, schreibt Hastings. Führt er einen direkt in die Schlacht, wie schon geschrieben wurde? Sicher nicht, denn unmittelbar sind die Erzählungen nicht. Hastings führt den Leser in den Kopf der Soldaten nach dem Krieg. Ihre Geschichten beschreiben, wie der Krieg in ihnen weiterlebt. Und das kann ganz verschieden sein. Bei einigen steht das Bemühen im Vordergrund, einen möglichst exakten Bericht über ein bestimmtes Ereignis zu verfassen. Jemand anders steht noch Jahrzehnte später im Bann des Grauens, das ihnen sein Leben nicht fortlassen will. Und natürlich fehlen nicht die typischen Soldier Stories, die versuchen, das Erleben in einer anekdotischen Geschichte zusammenzufassen.

„Soldaten kleiden ihren Beruf gern in ein schickes Gewand aus Worten wie Ehre und Ritterlichkeit, aber die Geschichte der Kriege ist letztlich ein Bericht über die Bemühungen der Menschen, sich gegenseitig zu töten“. Nur wenige sprechen es aus. „Ich töte einfach Menschen“, bekannte der amerikanische General James Hollingworth aus dem Vietnamkrieg. „Es gibt nichts, was ich lieber tue, als den Vietcong zu töten.“

Viele Soldier Stories sind im eigentlichen Sinn nicht „wahr“ – sie beruhen auf einem wahren Kern, der von Mal zu Mal mehr ausgeschmückt wird. Aber gerade sie sagen viel über die Gemeinschaft der Krieger aus. Etwa über die Art des Humors. Ein Sprengmeister will seinem Kommandeur einen Gefallen tun und einen störenden Baumstumpf von seinem Grundstück zu entfernen. Dabei verschätzt er sich bei der Menge des Sprengstoffs. Der Baumstumpf fliegt durch die Luft, die Explosion zertrümmert alle Fenster des Hauses.

Zwei Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg: Das linke zeigt einen Atompilz, das rechte Menschen vor Ruine

Oder von absurder Fürsorge. Wellington gab seinen Offizieren im Kampf gegen Napoleon nur jeweils 48 Stunden Urlaub. Zu ihrem Besten, wie Wellington meinte, denn kein vernünftiger Mann würde mehr Zeit mit einer Frau im Bett verbringen wollen.

Wenn in dem Buch auch die Warrior-Queen Boudicca und Jeanne d’Arc vorkommen, drangen erst in den letzten Jahren Frauen im Westen in diese männliche Bastion vor. Und sie mussten das lernen, was die Kämpferinnen der Roten Armee vor 70 Jahren erfahren mussten. Der „Krieg hat kein weibliches Gesicht“, so drückte es die Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch aus. „Wenn Männer aus dem Krieg zurückkommen, können sie in Bars sitzen und Mädchen mit ihren Geschichten beeindrucken“, schrieb Emma Sky nach ihrer Rückkehr aus dem Irakkrieg. „Bei Frauen ist das ein bisschen anders. Kein Mann wird meine Kriegsgeschichten hören wollen.“

Auch Heather Paxton diente im Irak. Dort verliebte sich ein junger Mann in sie. Er schenkte ihr eine teure Flasche Parfüm. „Frauen sollten wie Frauen riechen, nicht wie Männer“, sagte er. „Du musst mich als Soldat sehen, nicht als Frau“, entgegnete sie. „Nimm es. Du bist auch eine Frau.“ Schließlich nahm sie das Geschenk an und benetzte sich mit dem Duft. „Mein Herz schmerzte für die Welt, die ich hinter mir ließ. Ich war müde von dem Gestank der Angst, der mir aus jeder Pore meines Körpers entgegenschlug. Ich träumte, nur für einen Moment, dass der Duft des Parfums mich nach Hause bringen könnte, wo ich in Sicherheit war.“

Kampf mit dem Khukuri

In der britischen Armee nehmen die Gurkhas eine besondere Stellung ein, traditionell dienen die Männer aus dem Himalaja als „Söldner“ der Krone. Als einzigen gelang es Gurkha-Kämpfern, im Ersten Weltkrieg an den Dardanellen durch das mörderische Feuer die türkischen Gräben zu erreichen. Seitdem gelten sie als härteste Infanterie der Welt. Im Zweiten Weltkrieg versetzen sie die Deutschen in Schrecken. Die Gurkha-Kämpfer gingen nachts auf Patrouille, nicht nur um die Gegend aufzuklären, sondern um unvorsichtige Deutsche mit dem Khukuri, ihrem traditionellen Haumesser zu töten. Jemadar Sing Basnet und seine Gruppe wollten 1943 einen Bergpass erobern.

„Ich wurde in einer Sprache angesprochen, die nicht Englisch war. Um mich zu vergewissern, schlich ich mich an und sah in das Gesicht eines Deutschen – ich erkannte ihn an seinem Helm. Er fummelte an seiner Waffe herum, also schlug ich ihm mit meinem Khukuri den Kopf ab. Ein anderer tauchte aus einem Graben auf und ich schlug auch ihn nieder. Mit zwei anderen tat ich dasselbe, aber einer machte so einen großen Lärm, dass er den Alarm auslöste. Einem Fünften versetzte ich einen Schnitt, aber ich fürchte, ich habe ihn nur verwundet.

Ich war nun in einen Kampf mit mehreren Deutschen verwickelt, und schließlich, nachdem meine Hände zerschnitten und glitschig vor Blut waren, gelang es ihnen, mir mein Khukuri zu entreißen.

Ein Deutscher schlug mir damit auf den Kopf und fügte mir eine Reihe von Wunden zu. Sie schlugen mich zu Boden, wo ich lag und mich totstellte.

Ich konnte nichts mehr sehen, denn meine Augen waren voller Blut. Ich wischte mir die Augen, und ganz in der Nähe sah ich ein deutsches Maschinengewehr. Es wurde schon hell, und während ich noch überlegte, wie ich die Waffe erreichen könnte, rückte mein Zug vor und begann, Granaten zu werfen. Ich dachte, wenn ich mich jetzt nicht bewege, bin ich tot.

Ich schaffte es, aufzustehen, und rannte auf meinen Zug zu. Sie erkannten meine Stimme. Da meine Hände blutig waren und ich mein Khukuri verloren hatte, musste ich einen meiner Kameraden bitten, meine Pistole aus dem Halfter zu nehmen und sie mir in die Hand zu legen. Dann übernahm ich wieder das Kommando.“

Der zurückgelassene Soldat

Bei einer nächtlichen Patrouille verlor der junge Offizier Michael Howard einen Kameraden durch eine Mine.

„Wir stiegen ab, und alles war still. Nach einer Weile standen wir vorsichtig auf und begannen zu gehen. Wir waren nur ein paar Schritte gegangen, als ich einen stechenden Schlag in meinen Beinen spürte und eine Explosion direkt hinter mir hörte.

‚Bist du in Ordnung, Terry‘, flüsterte ich. ‚Nein, Sir – es hat meinen Fuß erwischt.‘

Auf den Boden gepresst, hörte ich die Kugeln über mir zischen. Der arme Terry begann vor Angst und Schmerz zu schreien. Das ist das Ende, dachte ich. Ich bin auf freiem Feld und stehe mitten in einem Minenfeld. Ich kann Terry nicht wegbringen – er ist fast doppelt so groß wie ich. Ich habe ernsthaft daran gedacht, mich zu ergeben, aber das wäre dumm gewesen.

Dieser Teil ist am schwierigsten zu schreiben. Bewusst und in vollem Bewusstsein dessen, was ich tat, ließ ich Terry zurück und kroch davon.

Die Deutschen waren nur wenige Meter entfernt. ()

Mein Geist bestand aus einer Reihe von Gefühlsschichten: eine Schicht der Erleichterung, eine Schicht der Scham, eine Schicht der Angst …

Ich lernte viel – zu viel – über mich selbst; nicht zuletzt, dass ich das Verdienstkreuz nicht verdiente (das ihm fast ein Jahr zuvor in Salerno, Italien, verliehen worden war). Es ist leicht, mutig zu sein, wenn man im Rampenlicht steht und ein Publikum da ist. Wenn man allein ist, wird man auf eine harte Probe gestellt.

()

Und Terry? Er hat nicht überlebt. Ob er verblutete, bevor die Deutschen ihn fanden, oder ob er in ihrer Obhut starb, weiß ich nicht. Jahre später suchte ich sein Grab auf, saß daneben und fragte mich, was ich noch hätte tun können. Ich frage mich immer noch.

Der alte Lehrer

„Am nächsten Morgen, als Briggsy den Panzer wieder in Betrieb nahm, erhob sich unter der linken Kette, die Hände über dem Kopf, eine so zerzauste, schmutzige und elende Gestalt, wie man sie sich nur vorstellen kann. Seine graue deutsche Uniform war unter der Schlamm- und Ölschicht kaum noch zu erkennen.

Als wir diese Erscheinung bestaunten, zog sie eine Grimasse und deutete auf den schmalen Graben, in dem sie die ganze Nacht unter der Panzerkette gefangen gewesen war.

Ich gab ihm ein Zeichen, auf den Panzerturm zu klettern. Oben auf dem Panzer sitzend, starrten wir uns gegenseitig ungläubig an.

In jenen längst vergangenen Tagen der 1930er-Jahre, als Gott im Himmel war und die Welt noch in Ordnung war, verfügte mein Vater, dass mein Bruder und ich einen Deutschlehrer bekommen sollten. Sein Name war Willie Schiller. Jetzt stand mir derselbe Willie Schiller gegenüber.

Keiner von uns konnte etwas dagegen tun. Vielleicht sagte er ‚Gott im Himmel‘, aber ich kann mich nicht mehr erinnern.

Soldiers: Great Stories of War and Peace (English Edition)  Max Hastings

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