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Meinung
Oscars 2022 Gewalt im Namen der Liebe: Warum Will Smiths Rede alles schlimmer machte
Erst ohrfeigte er Chris Rock und schrie unkontrolliert Beschimpfungen, dann bekam er Minuten später einen Oscar: Will Smith sabotierte höchstpersönlich den wohl größten Moment seiner Karriere. Und machte mit seiner Rede alles noch viel schlimmer.
Es hätte der Abend seines größten Triumphs werden können, doch es kam anders. Mit einem tätlichen Angriff auf Chris Rock sorgte Will Smith bei der Oscar-Verleihung für einen Tiefpunkt in der Geschichte der Veranstaltung. Und bewies dann, dass über toxische Männlichkeit auch im Jahr 2022 noch immer nicht genug gesprochen wird. Was war passiert?
Chris Rock hatte sich mit einem Spruch über Smiths Ehefrau Jada Pinkett-Smith lustig gemacht, die aufgrund einer Erkrankung an Haarausfall leidet. Das brachte Smith so in Rage, dass er spontan auf die Bühne lief, Rock ohrfeigte und den Comedian wütend beschimpfte. Ein Skandal, auf den die Academy sofort hätte reagieren müssen. Denn seit dem #Metoo-Skandal haben sich die Oscars eigentlich einen Verhaltenskodex auferlegt. Wie sollte es gelingen, Smith jetzt noch glamourös mit einem Preis auszuzeichnen?
Will Smiths Rede zeigte, dass er nichts verstanden hat
Erstaunlicherweise geschah genau das: Keine 15 Minuten nach dem Vorfall kassierte Smith Standing Ovations und den Oscar als bester Hauptdarsteller. The show must go on. Was dann folgte machte alles noch viel schlimmer. Denn mal abgesehen von der uralten Debatte darüber, wie weit Comedy gehen darf und ob man Witze auf Kosten von kranken Menschen machen sollte oder nicht: Den verheerendsten Satz auf der Bühne hat nicht Chris Rock, sondern Will Smith gesagt.
„Die Liebe lässt einem verrückte Dinge tun“, sagte er unter Tränen, als er den Oscar entgegen nahm. Er sei überwältigt davon, was Gott ihm als Aufgabe gäbe. Sein Leben sei dazu da, die Menschen zu lieben. Und Menschen zu beschützen und wie ein Fluss für seine Leute zu sein. Einen öffentlichen Ausraster zu haben und gewalttätig zu werden, ist die eine Sache. Das eigene Verhalten dann auch noch minutenlang zu begründen, unter anderem mit Gott und der Liebe zu seiner Familie, eine völlig andere.
Hier geht es nicht nur um beleidigte männliche Eitelkeit, sondern auch um einen Mann, der meint, seine Frau wie Besitz verteidigen zu müssen. Das Narrativ des starken Beschützer-Mannes, der sich mit körperlicher Macht gegen alles stellt, was ihm oder seiner Familie zu nahe geht, ist gefährlich. Gefährlich deshalb, weil es suggeriert, dass es gute Gewalt und böse Gewalt gibt. Dass Gewalt überhaupt eine Antwort auf irgendetwas ist. Und weil es eine Argumentation ist, die viel zu viele Opfer von männlicher Gewalt zu hören bekommen – und die sind meist weiblich.
Das letzte, was Frauen brauchen, sind Männer, die in ihrem Namen zu Gewalt greifen
In Deutschland tötet im Schnitt alle zweieinhalb Tage ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin. Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Das letzte, was Frauen brauchen, sind Männer, die in ihrem Namen zu noch mehr Gewalt greifen. Wie stark dieses Männer-Bild noch immer in der Gesellschaft verankert ist, zeigen zahlreiche Reaktionen in den sozialen Netzwerken auf den Vorfall. Von Verständnis für Smith ist da die Rede, Bewunderung dafür, dass er seine Frau vor den Worten eines Komikers beschützt habe. Dabei wäre das so viel stärker gewesen, hätte Smith dies mit Worten getan.
Besonders bitter: Selbst der absolute Krisenmodus – seine Publizistin und mehrere Schauspielkollegen redeten kurz danach auf ihn ein – brachte Smith offenbar nicht dazu, sich bei Rock zu entschuldigen oder sein Verhalten zu reflektieren. Es war eine verpasste Chance, um über toxische Männlichkeit und ihre Folgen zu sprechen. Und das ausgerechnet im Jahr 2022, wo die Welt gerade erfährt, was es heißt, wenn ein Mann meint, das Recht des Stärkeren mit brutaler Gewalt durchzusetzen. Kurz vorher hatte es bei der Verleihung noch eine Schweigeminute für den Ukraine-Krieg gegeben.
„Ich hoffe, die Academy lädt mich noch einmal ein“, sagte Smith zum Schluss. Wenn die Oscars irgendwann wieder so etwas wie Relevanz und Integrität erreichen wollen, wäre die Academy gut beraten, das nicht zu tun.
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