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Studie im Auftrag der Aktivisten „CO2-frei bis 2035“: Fridays for Future fordern drastische Schritte für Klimaschutz
Schlechte Noten für die Bundesregierung: Eine Studie im Auftrag von Fridays for Future zeigt, dass die bisherigen Klimaschutz-Pläne bei weitem nicht ausreichen. Die Aktivisten fordern daher deutlich mehr.
Die Umweltaktivisten von Fridays for Future haben der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Die aktuellen Klimaziele seien nicht vereinbar mit dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der Klimaschutzbewegung. Es gebe eine „eklatante Lücke“, sagte Sebastian Grieme von Fridays for Future am Dienstag in Berlin. „Was für 1,5 Grad nötig wäre, wird momentan völlig ignoriert.“
Dabei war man in der Bundesregierung zuletzt bemüht, auf die Bewegung zuzugehen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) traf sich im August mit der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg und anderen Aktivisten und nannte die Bekämpfung der Erderwärmung eine globale Herausforderung. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) räumte ein, die Regierung habe beim Klimaschutz nicht entschieden genug reagiert und damit vor allem die jüngere Generation verärgert.
Fridays for Future aber fordert nun weitaus mehr. Die Bewegung gab beim gemeinnützigen Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie eine Studie in Auftrag, wie die Ziele erreichbar wären. Das sind die Kernpunkte der Studie:
„CO2-frei bis 2035“
Um das Emissionsbudget für ein 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, sind laut Studie deutlich schnellere Emissionsminderungen in Deutschland nötig. Nicht erst 2050, sondern schon 2035, dürfe Deutschland netto kein CO2 mehr ausstoßen – dieses Ziel firmiert in der Politik unter Klimaneutralität. Fischedick sagte, mit Blick auf die drängenden Probleme komme der nächsten Legislaturperiode eine besondere Bedeutung bei. Die CO2-Neutralität bis 2035 sei grundsätzlich noch möglich. Das technisch und wirtschaftlich anspruchsvolle Ziel könne aber nur erreicht werden, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in die gleiche Richtung gemeinsam agierten. Entsprechend müssten in der Zukunft „dicke Bretter“ gebohrt werden.
Autoverkehr halbieren, ÖPNV verdoppeln
Der Verkehr ist eines der größten Sorgenkinder beim Klimaschutz, die CO2-Emissionen sind in den vergangenen Jahren auch wegen eines höheren Verkehrsaufkommens nicht gesunken. Laut Studie sollte es signifikant höhere CO2-Preise auf fossile Kraftstoffe geben als es die Regierung bisher ab 2021 plant.
Außerdem sollte der Autoverkehr bis 2035 halbiert werden, zugleich die Kapazität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) verdoppelt werden. Dazu müsse die Förderung des ÖPNV deutlich erhöht werden, auch in die Schieneninfrastruktur müsse mehr investiert werden. Der Pkw-Bestand in Städten solle auf ein Drittel des heutigen Wertes senken – dafür die Rad- und Fußinfrastruktur ausgebaut werden. Für den Fernstraßenbau solle es ein Moratorium geben. Das hatten zuletzt auch die Grünen auf Bundesebene gefordert, was für wütende Proteste in der schwarz-roten Koalition sorgte. Der innerdeutsche Flugverkehr muss laut Studie beendet werden, der internationale Flugverkehr um 25 Prozent verringert werden, vor allem durch eine Verlagerung innereuropäischer Flüge auf die Schiene.
Schnellerer Ausbau von Wind- und Solarenergie
Aus Sicht der Studienautoren verläuft der Ausbau von Wind- und Solarenergie aktuell zu schleppend. Etwa 30 Gigawatt (GW) mehr pro Jahr seien sinnvoll. Die aktuellen Ziele der Bundesregierung sehen laut Studie einen Ausbau von 9,6 GW pro Jahr vor. Zusätzlich müssten Importe von im Ausland mit erneuerbaren Energien produzierten klimaneutralen Energieträgern wie Wasserstoff hinzukommen.
Damit die Industrie eine Klimaneutralität erreicht, muss laut Studie innerhalb weniger Jahre ein Wasserstoff-Pipelinenetz errichtet werden. Der Aufbau der Infrastruktur für eine klimaneutrale Industrie müsse schon beginnen, bevor die Nachfrage danach vorhanden sei. Andernfalls werde die Zeit für den Umbau nicht reichen. Auch in der Bundesregierung setzt man auf Wasserstoff, viele Fragen sind aber noch ungeklärt.
Deutlich mehr Sanierungen
Um Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen, muss laut Studie die energetischen Sanierungsrate massiv steigen – also der Umtausch alter Fenster oder Heizungen. Dafür sei ein umfassender Maßnahmenmix notwendig, der von Verpflichtungen zur Sanierung beim Verkauf von Wohnungen bis zu einer wirkungsvollen CO2-Bepreisung reiche. Weil Fachkräfte fehlten, brauche es eine Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive im Handwerk.
Gemischte Reaktionen
Die SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sowie Bundestagsfraktionsvize Matthias Miersch erklärten: Die Studie zeige, warum Klimaschutz zu den größten Herausforderungen der Gegenwart gehöre und was der entscheidende Schlüssel zur Lösung sei: der schnelle und maximale Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die SPD-Politiker warfen der Union vor, eine „ambitionierte Klimapolitik“ stets als Belastung der Wirtschaft zu geißeln.
Bei der Deutschen Energie-Agentur hieß es, bei der Studie fehlten nachvollziehbare Machbarkeitspfade. So erschiene an vielen Stellen ein Erreichen der anvisierten Ziele eher unmöglich. Zudem habe die Studie nicht die „sozialen Auswirkungen“ in den Blick genommen, die jedoch für die gesellschaftliche Umsetzung sehr wichtig seien, sagte Manfred Fischedick, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts.
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